Laudatio Reg

Laudatio zur Vernissage der Ausstellung
im Regierungspräsidium Dresden, 05.09. – 14.12.2007

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

1925 schrieb Hermann Hesse in sein Tagebuch: “Jeder Mensch ist nicht nur er selbst, er ist auch der einmalige, ganz besondere, in jedem Fall wichtige und merkwürdige Punkt, wo die Erscheinungen der Welt sich kreuzen, nur einmal so und nie wieder."

Jeder, der mit Kunstdingen vertraut ist, weiß, dass diese, wenn sie ehrlich und ernsthaft der Materie abgerungen sind, ohne den Versuch sich anzubiedern entstanden, persönliche, ununterdrückbare, notwendige und für den betreffenden einzigartige Resultate sind. Würde man Regina Böhrn fragen, was ihr Kunst bedeute, so könnte wohl die Antwort lauten: “Eine Art zu leben" - analog “was nicht gesagt werden kann, zeigt sich."

Die Gedanken der Künstlerin, die Schichtungen der Bildebenen, die Auswahl der Farbpalette - das alles ist ein Nachdenken über die einfachen und schwierigen Dinge des Lebens. Und ewig lockt der weiße Grund der Leinwand und Papiere die Malerin, so ähnlich, wie es Kandinsky in malerischer Emphase beschrieb: “Scheinbar: wirklich leer, schweigend, indifferent. Fast stumpfsinnig. Tatsächlich: voll Spannungen mit tausend leisen Stimmen, erwartungsvoll. Etwas erschrocken, da sie vergewaltigt werden kann. Aber fügsam. Sie tut gern, was man von ihr verlangt, bittet nur um Gnade. Sie kann alles tragen, aber nicht alles vertragen. Wunderbar ist die leere Leinwand. Jede Linie sagt: ich bin da! Behauptet sich, zeigt ihr sprechendes Gesicht - horcht! Horcht auf das Geheimnis!" Mit der Farbe, mit dem pulsenden Farbkörper, lasierend oder opak, übersetzt Regina Böhm mittlerweile Erinnerungen, Träume und Begegnungen. Ihre Arbeiten beinhalten eine rätselhafte Nähe, sie sind Erfüllungsort einer unbestimmten Sehnsucht, Ziel verwirrender Traumpfade, das Arkadien einer persönlichen Entdeckungsreise zu sich selbst. Sie erzählte mir von ihrer Bodenständigkeit, davon, dass sie kein Fernweh in die Welt hinaustreibt. Vor ihrem Fenster in Pesterwitz vor der Staffelei stehend, lauscht sie in sich und treibt ihre Sehnsucht nach Klangfarben und Farbrhythmen voran. Ihre Arbeiten verraten ein tiefes Fühlen und eine unermessliche Sehnsucht nach harmonischem Ausgleich.

“carpe diem"! Regina Böhm hat die Hände nicht in den Schoß gelegt, sie hat die Tage genutzt, um zu zeigen, wie sie die Welt sieht. Sie ist ein sensibler, kritischer Geist, voller Leidenschaft. Und sie strahlt eine so stille Würde aus, die mich fasziniert, so als würde sie etwas wissen, von dem ich nur ahne. Sie weiß, dass die Welt Risse bekommen hat. Und so zeigen ihre Arbeiten das Auf und Ab von melancholischen Niederungen und euphorischen Auftrieben. Ihr Lebensmittelpunkt ist seit der Jahrtausendwende die Kunst, sich ein Bild zu machen, die Kunst innere Beunruhigung, Freude, Hoffnung, dieses Sehnen und Träumen, das sich am Außen reibt, einzukreisen, zu benennen in der magischen Quadratur von Bildern, in einem niemals endenden Kampf, die Sprachlosigkeit mit Formen, Farben, Linien, Flächen und eigenen Geschichten zu überwinden. Jedes Werk trägt einen Titel, der den Betrachter an die Hand nimmt, eigene Entdeckungen zu wagen. Ihre Arbeiten sind eine ganz persönliche Liebeserklärung an das Leben. Manchmal glaubt man einem kleinen Welttheater gegenüberzustehen. Mit all den unermesslichen Komödien und Tragödien. Die dynamische Potenz des Werdens ist das helle Zeichen am Horizont. Der ursprüngliche Sinn von Kunst ist Imagination, dem Regina Böhm nachspürt. Die versteckten Geschichten vermitteln mitunter einen verschwörerischen Gleichklang mit den ewigen Geheimnissen des Universums und sprechen somit eine Einladung zum Phantasieren an einem Ort aus, der geschützt ist vor der Zeit und dem Grau des Alltags. Andre Breton meinte einmal:" Warum sollte ich dem Traum nicht zubilligen, was ich manchmal der Wirklichkeit verweigere, den Wert der Gewissheit in sich selbst!"

Regina Böhm weiß um die Zerbrechlichkeit von Träumen, um des Lebens wunderbare Launen. Ihre Kunst ist eine Harmonie in Parallele zur Natur. Das setzt voraus, dass hier nicht der illusionäre Einklang des gefälligen Augenscheins oder des ewig angestrengten Willens gemeint ist. Sondern die von der Malerin hellsichtig erkannte, von ihr selber geschaffene, auf der Bildfläche neu und vielschichtig realisierte Ordnung der am Naturbild wahrgenommenen Gegensätze. Ihre Arbeit reproduziert nicht die Wirklichkeit zwecks trügerischer Harmonisierung. Sie produziert vielmehr die persönliche Entscheidung ihres Temperamentes, als das bildnerische Resultat dessen Forschungen. Regina Böhm ist eine Suchende, eine Ringende, eine die nicht aufgibt und sich unterwirft, eine die sich nicht verleugnet, eine die versucht, sich zu leben. Man sieht hier Farben, die gefühlt sind und nicht konstruiert, die das Sichtbare in eine angemessene Temperatur hüllen und man sieht Linien, die von einer inneren Leidenschaft in Bewegung gesetzt wurden. Regina Böhm hat geträumt von Licht und Schatten, die die Seele der Welt ausmachen, von Menschen, die sie verehrt und ihr nahe stehen, vom Wald und von Zauberinnen, von Wiesen und Blumen, von Musik, von Klangfarben, vom ich und vom Du, das sich zum Wir verschmilzt. “Denken ist interessanter als Wissen, aber nicht interessanter als Anschauen", meinte Goethe. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen Muße bei der Eroberung der Bildwelt, den Malereien, Zeichnungen und Collagen von Regina Böhm.

Karin Weber

Dresden, 05.09.2007

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